Motivation ist Lernbar

Mangelnde Leistungsmotivation?

Dein Kind hat keine Lust seine Hausaufgaben zu erledigen oder erledigt diese nur widerwillig? Und wenn es sich endlich dahinterklemmt, dauert alles viel zu lange und die Stimmung ist im Keller? Und das schon in der Grundschule? In vielen Familien gehört diese Situation schon fast zum Alltag. Was steckt aber hinter diesem Phänomen und was können wir als Eltern tun, um diesen Negativkreislauf zu durchbrechen?

 

Die Leistungsmotivation ist ein Persönlichkeitsmerkmal, das Kinder in ihrer soziokulturellen Umwelt erlernen. Die Grundlagen dafür werden schon sehr früh in den ersten Lebensjahren gelegt, weshalb diese Eigenschaft relativ stabil ist. Sie drückt sich in aktivierenden oder hemmenden Einstellungen und Verhaltensweisen aus.

Die Leistungsmotivation eines Kindes kann man erst dann beobachten, wenn Eltern, Kindergarten oder Schule Leistungsanforderungen stellen, die auch für andere gelten. In der situationsbezogenen individuellen Auseinandersetzung mit solchen normativen Leistungsanforderungen zeigt es sich, ob ein Kind mit Hoffnung auf Erfolg oder mit Furcht vor Misserfolg reagiert. Je nach dieser (positiven oder negativen) Erwartungshaltung an sich selbst ist es zur Leistungserbringung mehr, weniger oder gar nicht motiviert.

Wie kommt es aber zu einer positiven oder negativen Erwartungshaltung? Das ist in starkem Masse vom Erziehungsstil und den Erziehungspraktiken in der Familie abhängig. Bereits im Vorschulalter lassen sich individuell unterschiedliche Ausprägungen beobachten. Wenn sich die Kleinen vom ersten Lebensjahr an als Verursacher ihres Verhaltens erleben, wirkt sich das günstig auf die Entwicklung ihrer Leistungsmotivation aus. Die Erfahrung, etwas aus eigener Anstrengung heraus erreicht zu haben, stärkt die Hoffnung auf Erfolg. Solche Erfahrungen machen bereits Babys, etwa beim Greifen und Bewegen. Kinder, denen von ihren Eltern schon früh selbstständiges Verhalten und eigene Entscheidungen zugemutet werden, sind später eher zur Leistung motiviert, als zu stark behütete Kinder. Loben und Ermutigen fördern die Erfolgszuversicht und damit die Bereitschaft, sich für ein Ziel anzustrengen, zusätzlich.

Leistungsmotivation ist veränderbar

Natürlich ist die Sache mit der Leistungsmotivation im Alltag nicht ganz so einfach, wie das Modell mit den beiden Polen Hoffnung auf Erfolg und Furcht vor Misserfolg aussieht. Gut zu wissen ist aber: Es gibt immer und in jedem Alter die berechtigte Hoffnung darauf, dass die "null Bock"-Haltung auf Schule, Hausaufgaben und Lernpflichten veränderbar ist. Verbesserungen treten aber meist nicht von selbst ein, noch kann allein ein guter Unterricht, ohne die Unterstützung der Eltern zu Hause, die Motivationsdefizite ausgleichen. Manchmal allerdings bewirken zufällige Einflüsse eine Motivationssteigerung, doch verlassen kann man sich auf sie natürlich nicht. Schliesslich bedeuten sie gelegentlich auch eine Beeinträchtigung, beispielsweise wenn man zufällig einen neuen Lehrer bekommt, der im Unterricht jeden Fehler kommentiert und man sich dadurch vor den Mitschülern peinlich fühlt.    

Was Eltern tun können

Für viele Kinder ist es selbstverständlich geworden, dass ihre Mutter/ihr Vater die Verantwortung für die Hausaufgaben übernimmt. Wissenschaftliche Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass die Leistungsentwicklung von Schülern, die sich selber für ihre Hausaufgaben als zuständig ansehen und denen niemand dabei hilft, günstiger verläuft. Elterliches Interesse an den Hausaufgaben ist wichtig und nützlich, aber nicht die elterliche Verantwortung für sie. Der bekannte Entwicklungspsychologe Jean Piaget drückte das so aus: „Wer einem Kind die Lösung eines Problems sagt, betrügt es um seine eigenen Erfahrungen.“

Erfolgszuversicht heisst übersetzt: „Ich weiss, dass ich zum Erfolg komme, wenn ich mich anstrenge“. Diese Überzeugung des „LM +- Typs“ kann im Kind nur wachsen, wenn es Gelegenheiten hat, sich anzustrengen. Verwöhnende oder ängstlich-behütende Erziehung enthält Kindern solche Gelegenheiten in einem schädlichen Ausmass vor – schädlich nicht nur für die Entwicklung der Leistungsmotivation, sondern auch für die gesamte Entwicklung. Kinder brauchen Fürsorge für Ernährung, guten Schlaf, einen rhythmisierten Tagesablauf mit Ritualen sowie Anregungen für Interessen und Aktivitäten, aber nicht mehr an Hilfestellung und Schutz als unbedingt nötig.    

a) Stärkung des Leistungsmotivs

Um das Leistungsmotiv des Kindes oder Jugendlichen zu stärken, können Eltern folgende Punkte berücksichtigen:

 

Förderung der Selbstständigkeit

Selbstständigkeitserziehung ist die Quelle von Erfahrungen für das Kind. Sie ermöglicht ihm wahrzunehmen, was es schon alles kann und was (noch) nicht. Darum ist auch die Förderung der Selbstständigkeit bei Hausaufgaben und Lernen vom ersten Schuljahr an wichtig. Wenn sie bislang vernachlässigt wurde, kann die Beratung durch einen Beratungslehrer oder Schulpsychologen hilfreich sein.

 

Regelmässigkeit

Für die Schule zu arbeiten, also Hausaufgaben zu erledigen, zu üben und zu lernen, kann leichter fallen, wenn es in ritualisierter Form erfolgt. Feste Arbeitszeiten, ein fester Arbeitsplatz, eine festliegende und planvolle Abfolge der Arbeitsschritte führen zur Gewohnheitsbildung. An regelmässige Pflichten kann man sich nicht nur gewöhnen, man kann sie sogar irgendwann schätzen lernen nach dem Motto: „Ich tu nicht nur, was ich mag, sondern ich mag, was ich tu.“

 

Verlässlichkeit

Schüler brauchen Eltern, die ihre Rechte wie auch Pflichten gegenüber der Schule ernst nehmen. Es hilft Kindern, wenn sie um die gute Eltern-Lehrer-Beziehung wissen. Es fördert Schüler, wenn Eltern an Klassenklima und Schulleben mitwirken. Bei Lern- und Leistungsproblemen brauchen sie Eltern, die sich um Ursachen und mögliche Hilfestellungen Gedanken machen, die nötigen Gespräche in der Schule führen oder erforderlichenfalls Beratung in Anspruch nehmen. Gerade gering motivierte Schüler brauchen das regelmässige elterliche Interesse, Aufmunterung und manchmal auch (vereinbarte, aber konsequente) Kontrolle.

 

Persönliche und emotional positive Zuwendung

Eine gute Eltern-Kind-Beziehung ist mit das Kostbarste und Wichtigste, was Eltern gestalten können. Sie trägt auch durch die manchmal schwierige Pubertätszeit hindurch. Gerade weil Schule so häufig den Familienfrieden belasten kann, sollten Eltern danach trachten, mit ihren Kindern im Freizeitbereich Gemeinsamkeiten zu pflegen: ein regelmäßiger Spieleabend in der Woche, gemeinsam ins Museum, in die Bibliothek gehen, gemeinsame sportliche Aktivitäten wie Schwimmen oder Radfahren usw. Das Interesse für den Schulalltag sollte gleichfalls seinen Stellenwert haben.

 

Leistungserlebnisse in der Gruppe

Gerade dann, wenn Schülerinnen oder Schüler in der Schule Leistungsprobleme haben, brauchen sie für ihr Selbstwertgefühl die Erfahrung von Erfolgen in der Gruppe. Dabei können Freizeitaktivitäten durchaus förderlich sein. Deswegen wäre es fatal, etwa dem Zwölfjährigen sein geliebtes Fussballtraining zu streichen, weil die Noten derzeit nicht stimmen. Gerade im Sport liegt die Erfahrung auf der Hand: Wenn ich trainiere und mich anstrenge, komme ich zum Erfolg. Vielleicht kann der Trainer dann unterstützend wirken, wenn es um die Übertragung dieser Erfahrung auf schulisches Lernen geht.Direkt für die Schule hilfreich kann die Teilnahme an einer Hausaufgaben-Gruppe sein oder das private Organisieren eines oder mehrerer Hausaufgaben-Partner.

 

Schaffen von Erfolgserlebnissen

Jeder Sporttrainer weiss: Nichts motiviert mehr als der Erfolg! Eltern sollten gemeinsam mit den Lehrkräften versuchen, Erfolgserlebnisse zu schaffen. Dazu gehört es, ganz bewusst darauf zu achten und dem Kind rückzumelden, wenn es durch Anstrengung einen Erfolg erzielen konnte, und sei er auch klein und nicht benotet. Zeig deinem Kind beispielsweise auf, was es jetzt im Vergleich zu letzter Woche kann.

 

Lob und Bestätigung

Geht man es richtig an, kann man einen misserfolgsorientierten Schüler nicht zu viel loben: ohne Übertreibung und in erster Linie für das Bemühen anstatt für das Resultat. „Du hast das Wort jetzt richtig geschrieben, weil du dich konzentriert hast.“ – „Deine Schrift zeigt, dass du dir Mühe gegeben hast.“ – „Prima, dass du deine Hausaufgaben erledigt hast, obwohl dir die Schule im Moment wenig Spass macht.“    

b) Mit dem Kind ins Gespräch kommen

Selber die Verantwortung für das Lernen übernehmen – das ist die Haltung leistungsmotivierter Schüler und Ziel der Motivationsförderung. Nun ist aber gerade das schwierig, wie Eltern immer wieder erleben. Einfach nur ins Gewissen zu reden ist meistens fruchtlos. Auf ein wirkliches Gespräch jedoch, auf einen Dialog, lassen sich Kinder mit Motivationsdefiziten nur ungern ein. Zu gross scheint ihnen die Gefahr, dass sie einen Mangel bei sich selbst zugeben müssten. Ihre Zurückweisung aller Sorgen („Keine Sorge, ich schaffe das schon noch“) oder Kritik („Das ist doch meine Sache, lass mich in Ruhe!“) dient der Vermeidung von Blamage und Gesichtsverlust. Gleichzeitig kennen sie durchaus die Angst, dass sie es allein möglicherweise doch nicht schaffen, die Leistungsanforderungen der Schule zu erfüllen. Sie befinden sich in einer regelrechten Zwickmühle. Also sollten Eltern versuchen, ihre Kinder auf eine Weise ins Gespräch zu ziehen, die die Angst vor dem Gesichtsverlust berücksichtigt.

 

Dafür kann ein Blatt mit Satzergänzungsaufgaben hilfreich sein:

  • Wenn ich an die Schule denke, bekomme ich Angst, weil …
  • Schule würde mir viel mehr Spass machen, wenn …
  • Das Fach …/… macht mir am meisten/wenigsten Spass, weil …
  • Hausaufgaben …
  • Wenn ich Lehrer wäre und wollte die Schüler zum Lernen anregen, dann würde ich …

Du solltest dieses Blatt selbst gestalten, dann ist es näher an eurer realen Situation und du kannst jene Aspekte besonders hervorheben, die dir auch besonders wichtig sind. Es gibt verschiedene Möglichkeiten zum Einsatz solcher Satzergänzungen, z.B.:

  • Du lässt dein Kind die Sätze ergänzen und fragst anschliessend nach, um über seine Begründungen ins Gespräch zu kommen und auch die Gründe zu erforschen, warum seine Motivation derzeit schlecht ist.
  • Denke an eine (vielleicht schwache?) Phase während deiner eigenen Schulzeit und ergänze die Sätze entsprechend. Dann kannst du dein Kind zum Vergleich mit seiner Sichtweise auffordern. Du wirst möglicherweise mehr Verständnis aufbringen, wenn du dich in die eigene Schulzeit zurückversetzt.
  • Fordere dein Kind zur Satzergänzung auf und sage ihm gleichzeitig, du wirst das Blatt auch ausfüllen, und zwar so, wie du vermutest, dass es antworten würde. Beim Vergleich kannst du dann feststellen, ob oder wie gut du dich in es einfühlen kannst. Das bietet die Chance, die Sichtweise von Eltern und Kind wieder einander anzunähern.

Der Sinn derartiger Eltern-Kind-Gespräche ist es in erster Linie zu erkennen, worauf das Kind seine Motivationsprobleme zurückführt. Welche Begründungen gibt es für Erfolg oder Misserfolg an? Welche äusseren Umstände nennt es (Lehrer, Mitschüler, Klassensituation,…)? Sei auch darauf gefasst, dass du selbst oder familiäre Umstände kritisiert werden könnten (Leistungsdruck, „Für dich zählt ja nur…“, Geschwisterkonkurrenz, …).    

Und zum Schluss...

Es kann vielschichtige Gründe dafür geben, warum die Motivation bei Kindern nachlassen kann. Sätze wie: "Das schaffst du nie" oder "Lass mich mal machen, bei mir geht es schneller" rufen negative Emotionen hervor. Diese führen verständlicherweise dazu, dass die Freude am Lernen schwindet.  Zeigen die Eltern jedoch ein ernstgemeintes Interesse an den Aufgaben der Kinder und finden gemeinsam einen Weg, wie sich das Kind auch in schwierigen Situationen selbst helfen kann, kann dies das Selbstvertrauen der Kinder wieder zurückbringen. Getreu nach dem Motto: Mut zusprechen und die Neugier der Kinder wecken kann dazu beitragen, dass das Lernen wieder als etwas Lohnenswertes empfunden wird.